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Kinderhaus und staatlich anerkannte Grundschule
in freier Trägerschaft

Gehorsam und Disziplin

GEHORSAM UND DISZIPLIN

Dieser Leitartikel trägt eine Überschrift mit Wörtern, die in unserem heutigen Sprachgebrauch selten eine Rolle spielen. Für Häuser wie unsere sind sie allerdings Schlüsselwörter. In Maria Montessoris Schriften finden sich viele davon. Einige würde man glatt anderen Erziehungsmodellen zuordnen: Begriffe wie Disziplin, Gehorsam, Autorität und Demut. Um diese in unserem Kontext einzuordnen, kann man sie auch moderner benennen, u.a. mit Kooperationsbereitschaft und Respekt. Das Lernen in unserer Schulen geht von Annahmen und Voraussetzungen aus, die gestützt sind durch die Erkenntnisse der modernen Entwicklungspsychologie und Neurologie, auch wenn die Begriffe altertümlich daherkommen.

Aktuell wird darüber diskutiert, was eine Gesellschaft braucht, damit gesellschaftliche Grundwerte nicht ihre Bedeutung verlieren. Pauschalisierend heißt es, die Bildung muss verbessert werden. Aber was meint denn das? Mehr Geschichts- und Erdkundestunden sicher nicht. Aus aktuellem Anlass und weil die Zukunft von unseren Kindern gestaltet werden wird, soll dieser Leitartikel genutzt werden, um eine Einordnung vorzunehmen.

Es können sich nur Einzelwesen, die sich ihrer selbst bewusst sind, zu einer funktionierenden Gesellschaft zusammenschließen.  Um sich zu einem selbstbewussten Individuum zu entwickeln, braucht es die eigenständige Entwicklung des freien Willens. Der freie Wille entwickelt sich durch Übung und Arbeit, durch sinnvolles Tätigsein. Er erwächst nicht aus einer Trotzhaltung und Abgrenzung, nicht in einer Willkür oder spontanen Bedürfnisbefriedigung, auch nicht  unter Zwang.       

Für Montessori ist der Wille die Grundlage und der Gehorsam eine zweite Phase im Entwicklungsprogramm. Um den Willen auszubilden, braucht das Kind bestimmte Rahmenbedingungen. Eigener Wille und innere Disziplin entstehen, wenn ein Kind sich entsprechend seines Entwicklungsprogrammes entwickeln darf. Das ist deshalb so bedeutend, weil ein Kind, das seinen Willen nicht ausgebildet hat, sich nie in einen freiwilligen Gehorsam begeben wird. Es wird gehorchen, weil es Strafe oder Sanktionen fürchtet, aber es erreicht nicht die innere Freiheit, die ein Kind erlangt, dass freiwillig folgt.  Das Entstehen des Gehorsams ist für Montessori eine Art Mini – Evolution, Gehorsam ist für sie das Ergebnis eines gelungenen Vervollkommnungsprozesses.  Der Gehorsam ist ohne den freien Willen nicht denkbar. Maria Montessori formuliert allerdings auch eine klare Aufforderung in Richtung der Erwachsenen, die dem Kind alles gewähren, wonach es heftig verlangt: „Dem Kind seinen Willen zu lassen, das seinen Willen nicht entwickelt hat, heißt den Sinn der Freiheit zu verraten.“

Das bedeutet, in der Begleitung von Kindern geht es darum, dass der Erwachsene sich als Autorität zur Verfügung stellt, einer der den Willen des Kindes nicht bricht, sondern einer, der sich als verantwortlicher Erwachsener verhält und Zeit und klare Strukturen zur Verfügung stellt. Maria Montessori bemerkte eine Neigung zum Gehorsam in ihrer Gruppe von Kindern, die sich ganz und gar mit ihr, der Lehrerin, identifizierten. „Es ist etwas ganz anderes, wenn wir Gehorsam bei Individuen erreichen, die bereits ihren Willen entwickelt und sich frei dazu entschlossen haben, dem unseren zu folgen. Diese Art Gehorsam ist eine Huldigung.“

Maria Montessori spricht in ihren Texten häufig von Verantwortung und Disziplin. Sie nennt jemanden diszipliniert, wenn er „Herr seiner selbst“ ist. Von unterwerfenden, bezwingenden Maßnahmen, um Disziplin zu erreichen distanziert sie sich. Sie beschreibt Disziplin als einen aktiven Vorgang. Die Disziplin lässt sich auf indirektem Weg erreichen, sie beginnt mit dem Interesse des Kindes für Arbeit und vertieft sich durch Übung. Dass es gelungen ist, Freiheit und Disziplin miteinander zu verschmelzen, bemerkt man, wenn sich die Kinder auch bei Abwesenheit des Erwachsenen geordnet verhalten. Eine echte innere Disziplin des Kindes wird nicht erreicht durch Tadel und Ermahnungen.  Sie fordert eine ernstgemeinte Hinwendung zum Kind, um dessen Bedürfnisse zu erkennen, gelingt das, ist das  Fundament für innere Disziplin und einer daraus wachsenden Freiheit gebaut.

Diese Pädagogik ist frei von Schuld, sie sucht keinen Schuldigen, wenn ein Kind sich auffällig verhält. Sie beschreibt lediglich, was ein Kind zeigt. Montessoris Grundannahme ist, dass jedes Kind eine Sehnsucht nach innerer Geordnetheit hat. Dies ist der Zustand, den das Kind erstrebt. Wir, die Erwachsenen, können die Bedingungen schaffen, die dem einzelnen diesen Zustand ermöglichen, dieses „In-sich-selbst-ruhen“. Was heißt das für uns Erwachsene? Sollten wir ein Kind in der Gruppe oder Familie haben, dem es nicht gut geht, das ein Verhalten zeigt, unter dem es selbst leidet oder unter dem die Gruppe leidet, sind wir aufgefordert, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass es sich gut entwickeln kann und wieder wohlfühlt, mit sich und uns. Es heißt aber vor allem auch, unangepasstes oder ungewöhnliches Verhalten muss uns nicht erschüttern, wenn es dem Kind  und seiner Bezugsgruppe damit gut geht.  Kinder sind nicht unsere Gegenspieler, nicht in den Familien, nicht in den Schulen, nicht im Konflikt, der plötzlich auftaucht. Kinder wollen kooperieren. Das hat langfristig eine große Relevanz, denn „will man neuen Ideen zum Durchbruch verhelfen, die Gebräuche und Sitten  eines Landes ändern oder verbessern, die Charakteristika eines Volkes stärker betonen, müssen wir uns der Kinder bedienen“, sagt Maria Montessori und beschreibt dadurch die Verantwortung, die bei jedem von uns liegt. Und selbstverständlich hört die Freiheit des Einzelnen da auf, wo die Interessen eines Mitmen­schen oder der Gemeinschaft beginnen. Freiheit ist also immer – und gerade in dieser Pädagogik – eine soziale Größe.

*alle Zitate sind Originalzitate von Maria Montessori

Das Klima an unserer Schule

Wir haben die Frage zwar nicht laut gehört, aber es ist denkbar, dass sie gestellt wurde: Muss eine Grundschule schließen, wenn Klimaschützer*innen zum Klimastreik aufrufen?  Diese Bewegung ist eine Bewegung, die durch die Generation unserer Kinder und Jugendlichen ausgelöst wurde, vorneweg Greta Thunberg.  Unsere Kinder fordern uns auf zu handeln, weil wir es sind, die die Mittel dazu haben. Und weil nach allen seriösen Berechnungen nur noch wenig Zeit bleibt. Die Kinder unserer Schule gehen souverän mit diesem Thema um. Sie machen sich zwar Sorgen oder diskutieren die Problematik mit uns Erwachsenen, sie vertrauen aber auch darauf, dass wir uns darum kümmern werden, dass ihre  Welt auch in der Zukunft lebenswert bleibt. Dieses wird jeder in seinem Haushalt auf den Prüfstand stellen, das erfordert aber auch ein Handeln in Richtung der Politiker. Streik ist ein mögliches Mittel. In der Kinderversammlung haben wir den Kindern deutlich gemacht, dass es Menschen geben wird, die arbeiten im Krankenhaus, die versorgen Tiere oder fahren die Züge, in denen wir uns am Freitag fortbewegen werden. Natürlich können sie nicht streiken. Es gibt auch Menschen, die sich über das Klima künftiger Generationen keine Sorgen machen oder die Demonstrationen grundsätzlich ablehnen. Natürlich werden auch sie nicht streiken. Da aber niemand, der sich mit den verfügbaren Fakten beschäftigt,  in Zweifel ziehen kann, dass die Berechnungen der Wissenschaftler Anlass zur Sorge bieten, sollte eine Schule wie unsere, die sich der Wissenschaft verpflichtet fühlt, ein Zeichen setzen und deshalb natürlich daran teilnehmen.