„Ich freue mich sehr darauf, mit euch Schach zu spielen. Aber wir müssen damit beginnen, die Züge der Figuren zu kennen“, sagt der Neurobiologe H. Luksch der TU München seinen Studenten in der ersten Vorlesung. Die Figur und deren Zug kennen, das ist die Ausgangssituation. Und für viele ‚Schachspiele des Lebens‘ ist eine Schule durch Bereitstellung von Arbeitsmaterialien und Lernanregungen zuständig. Ob einer ein großer Schachspieler wird oder nur die Züge kennt, ist dann eine Frage von Potential und Übung. Egal, wie viel Talent man hat, man wird kein Meister ohne Übung, aber nicht jeder muss ein Meister werden.
Eine gute Schulbildung war immer ein hohes Gut. Heute gibt es viele Ängste, dass das Kind sich zu sehr anstrengen muss oder zu wenig, vielleicht „falsch“ lernt. Sicher hat das damit zu tun, dass wir nur ahnen können, welche Kompetenzen das Kind in der Zukunft wirklich braucht. Für unsere Eltern und Großeltern gab es einen verlässlichen Bildungskanon. Der ist nicht unwichtig geworden, aber mit dem freien Zugang auf Daten geht es viel mehr als früher um das problemlösende Lernen und anwendungsbereites Wissen und die Vernetzung. Und gilt nicht immer noch, was Einstein sagte: „Das Ziel der Erziehung muss die Heranbildung selbstständig handelnder und denkender Individuen sein, die aber im Dienste an der Gemeinschaft ihre höchste Lebensaufgabe sehen“? Statt des klassischen IQ wird heutzutage ein We-Q (also statt des Ich-Quotienten ein Wir-Quotient) erhoben. Diese Kompetenzen erlangt man nicht durch „pauken“. Und das erlangt man sicher nicht im individuellen Alleingang. Das Individuum wird zur Persönlichkeit durch Leben in der Gemeinschaft. In der Reformpädagogik bringt sich das Individuum mit all seinen Fähigkeiten in die Gemeinschaft ein und Lernen wird durch tätiges Begreifen ermöglicht. Lernen ist hoffentlich kreativ, gestalterisch und freudvoll. Aber es soll nicht NICHT sein. Es geht immer um das Lernen, nicht, darum, sich in Selbstdarstellungen zu suchen und möglicherweise nie zu finden. Maria Montessori, auf die wir uns wesentlich beziehen, ist angetreten, um auch den schwächsten Gliedern der Gesellschaft, den Kindern aus Armenvierteln und Kindern mit Beeinträchtigungen, ein Lernen zu ermöglichen. Das tat sie nicht, indem sie sie in einen Raum setzte und darauf wartete, dass die Kinder irgendetwas interessierte. Das ist ein Irrglaube, dessen Ausgangspunkt sich bestenfalls in einer Vermischung unterschiedlichster moderner Denkansätze, u.a. dem von Alice Miller, erklären lässt. Montessoripädagogik ist leistungsorientiert, es geht um Persönlichkeitsbildung und Unterstützung beim Wissens- und Kompetenzerwerb. Eine gute Schule muss also ihren Fokus auf das erfolgreiche Lernen legen, darauf, es dem einzelnen Kind zu ermöglichen, das ihm innewohnende Potential innerhalb einer Gemeinschaft auszuschöpfen. Wer das Druck nennt, ist eingeladen zu prüfen, wo dieses Thema für sie oder ihn einen Ursprung hat. Natürlich lernen Kinder in jeder Sekunde, in der sie wach sind. Deshalb ist unsere Verantwortung so groß. Sie lernen von dem, was sie umgibt. Sie lernen ein bisschen auch, zu sein wie wir, denn sie kooperieren, in dem sie kopieren. Sie brauchen zu Hause und in der Schule eine im weitesten Sinne anregende Umgebung. In der Schule geht es innerhalb einer Gemeinschaft um das Erlernen der Kulturtechniken. Schreibenlernen, und das auch noch rechtschreibrichtig, ist anstrengend, ohne Frustrationstoleranz kaum zu meistern. Wer sie nicht mitbringt, kann sie hier – mit Unterstützung durch das Elternhaus – lernen. Das „Lernen lernen“ lernt ein Kind nicht ohne Vorbilder. Innere Zufriedenheit tritt sicher nicht ein, wenn man rumdümpelt. Im Gegenteil, meistens werden diese Kinder mitten in der Gemeinschaft verhaltensoriginell, manche sogar einsam, fühlen sich ausgegrenzt, denn die Begeisterung der anderen ist nicht ihre. Eltern, die in einem Notensystem gelernt haben, können sich das vielleicht nur schwer vorstellen, wie ausreichend, ja, sogar ungemein befriedigend der eigene Lernerfolg sein kann, mit welcher Begeisterung Kinder ihn wahrnehmen und mitteilen. Hier gibt es keine Note, nur die Belohnung durch das eigene Glücksgefühl, eventuell die Anerkennung durch den Lernbegleiter. Diese Erfahrung können Kinder machen, wenn eine Anforderung im Raum stand, eine Erwartung formuliert wurde. Unter großer Anstrengung etwas gelernt zu haben, ist wie Sex – – – es gibt keine Noten, aber wenn die Leidenschaft beteiligt war, schüttet man unheimlich viele Glückshormone aus und will es immer wieder. Nicht jeder hat das, aber jeder könnte. Verwehrt den Kindern das nicht!
Um im Lernen Glücksmomente zu erleben, muss man auch Strategien haben, mit Schwierigkeiten und Krisen umzugehen. Lernen geht ja nicht ohne Fehler und Misserfolge. Insofern ist der Spruch: „Lasst es doch!“ ein Spruch, der sich komplett gegen das Kind richtet, es wird zum Egozentriker. Darüber hinaus richtet er sich gegen eine ganze Gruppe von Schülern , nämlich Kinder mit Lernschwierigkeiten. Für Teilhabe braucht es ein Fundament. In der Schule ist das Lesen, Schreiben und Rechnen. Wenn dein Kind zu Hause plötzlich schreibt, dann ist das nicht von allein passiert. Während dem einen Kind die auffordernde Lernumgebung genügte, hat das andere Kind enorme Anstrengungen aufgebracht, um lesen zu können. Wenn es dann zu Hause stöhnt, kann das auch heißen: ‚Bitte sieh, was ich leiste‘. Eltern, die mehr als 4 Jahre an unserer Schule sind, kennen die Extreme dieser Diskussion zwischen: Die Schüler lernen zu wenig und Die Erwartungen an der Schule sind zu hoch. Das hat uns immer begleitet, das wird uns immer begleiten. Wir haben Übung darin, uns in diesen Widersprüchen zu bewegen.
Auch Diskussionen in der Elternschaft unterliegen Dynamiken, bzw. Trends. Liebe Eltern, ihr könnt immer Teil einer Bewegung sein, aber macht euch klar, dass sind eure Kämpfe, nicht die eurer Kinder! Es sind eure Erfahrungen, möglicherweise Verletzungen, mit einem gleichmachenden Regelschulsystem und Noten. Ihr habt euch gemeinsam mit eurem Kind für diese Schule entschieden und euer Kind ist glücklich hier, so lange ihr es auch seid. Das ist keine Aufforderung, unkritisch zu sein, nur achtsam mit euch und euren Kindern. Es soll euch Mut machen, gründlich zu prüfen, welche Schulform ihr wählt. Es gibt andere Schulformen mit anderen Werten, auch anderen Erfahrungen nach der Grundschulzeit. Wir arbeiten so, wie wir die Schule im Konzept und öffentlich darstellen. Was ihr in den Hospitationen seht, findet in ähnlicher Form die gesamte Grundschulzeit statt. Wer nicht hospitiert, äußert Vermutungen. Stabilität in der Konzeptinterpretation können wir zusichern. Eine Stabilität in der Schulbegleitung eurer Kinder, auch bei Schwierigkeiten, können wir ebenfalls absichern, der nicht unwesentliche Rest liegt dann bei euch und unserem Miteinander.