150 Jahre Maria Montessori – in vielen Schulen wurde vor einer Woche dieses Datum gefeiert, in unserer nicht, was im Nachhinein doch etwas bedauert werden darf. Personenkult liegt uns einfach nicht. Dabei ist er in diesen Zeiten besonders im Trend. Es gäbe ja auch durchaus Gründe, diese außerordentliche Frau zu würdigen, die ihr Leben der Wissenschaft und dem Überleben der Menschheit gewidmet hat. Montessori-Pädagogik ist eben nicht nur die Nutzung des tollen Mathematik-Materials. In dem Leitspruch „Hilf mir, es selbst zu tun“ bemächtigt sie das Individuum, für sein Handeln Verantwortung zu übernehmen und das Umfeld verantwortlich mitzugestalten. In Zeiten, in denen verschiedene Menschengruppen sich versammeln, weil sie ein gemeinsames Feindbild, eine dunkle Macht, das Fremde fürchten, durch das Tragen einer Maske Persönlichkeitsrechte eingeschränkt sehen, scheint die frühe Bewusstwerdung über die eigenen Möglichkeiten wichtiger denn je zu werden. Zumal sich dieses imaginäre „Schlechte“, dem sich diese Menschengruppen gegenüber sehen, in einer Ablehnung von Wissenschaft und der Tendenz, allgemein wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zu trauen, bündelt. Natürlich kann Politik immer nur den aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft in allgemeine Vorgaben umsetzen und im Nachhinein kann sich die eine oder andere Maßnahme als nicht zielführend erweisen, aber wie sagte es Ruprecht Polanz so schön auf Twitter: „Mit den Kenntnissen von Montag hätte ich meinen Lottoschein auch anders ausgefüllt.“
Eine Krise, auch eine gesellschaftliche, zeigt den Zustand eines sozialen Gefüges. Zudem zeigt sie dem System Schule, wo aktuelle Verantwortung für künftige Generationen liegen könnte. Aufgabe der Schule muss in ganz traditionellem Sinne also Aufklärung sein, aber auch das Einüben von Umgangsformen und das Einordnen von Fakten. In der Montessoripädagogik lernen Kinder, dass es notwendig ist, bestimmte Dinge im Interesse des Allgemeinwohls zu erledigen. Sie entwickeln ein Vertrauen darin, dass es in der menschlichen Natur liegt, sich anzupassen, gemeinsam nach geeigneten Lösungen zu suchen, dass auf der Suche nach Lösungen Ideen eingebracht und ausprobiert werden können. Sie lernen es, Entscheidungen zu treffen, manchmal ohne eine eindeutige Faktenlagen, manchmal auch unter Riskieren von Fehlern. In der Annahme, dass wir nicht wissen, wie diese Welt in 20 Jahren sein wird, können wir nur darauf setzen, dass wir Prozesse verstehen, indem wir vergangene sezieren. Montessoris Pädagogik ist gleichermaßen eine Friedenspädagogik, wie auch eine, die Kindern hilft, natürliche Prozesse zu verstehen und ein Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu entwickeln. Momentan scheint jedoch aktueller denn je, dass es Maria Montessori vor allem darum ging, verborgene Vorurteile und Voreingenommenheiten abzulegen und sich wertfrei zu begegnen. Das üben wir in unseren Schulen nicht, indem wir uns „Licht senden“ und Entwicklungen in die Hände einer höheren Macht legen, sondern in aktiver Mitgestaltung innerhalb einer demokratischen Gesellschaft. Weil eben die Befreiung von kindlichen Verhaltensmustern so mühsam ist, kann es gar nicht genug dieser Montessorischulen geben. Für andere Mitdenken, für andere auch mal etwas Aushalten jenseits der eigenen Komfortzone und Kommunikation, das schafft solidarische Gemeinschaften. Vor einem Jahrhundert wurde die erste deutsche Montessorischule gegründet. Unter Betrachtung der damaligen Verhältnisse in diesem Land, ist diese Pädagogik aktueller denn je.