Früher sagten wir den Eltern, eine Stunde am Computer oder Fernseher bedeutet für das Kind, dass es das Konsumierte zwei Stunden in der Schulzeit verarbeiten muss, also dann nicht für seine schulischen Lernprozesse bereit sein wird. Das sagen wir nicht mehr, denn wir können es nicht mit ausreichend Evidenz belegen und es wäre auch am Alltag der meisten Familien vorbeidiskutiert. Aber wir können von unseren Beobachtungen berichten. Es ist so, dass unsere Schülerschaft heute anders in der Schule lernt als noch vor 10 Jahren. Es scheint so, dass einige Schüler:innen aus dem Unterrichtsgeschehen wenig aufnehmen, weniger verknüpfen oder kaum eigene Interessen und Lernziele verfolgen. Geringe Frustrationstoleranz oder ungewöhnlich kurze Aufmerksamkeitsspannen sind ebenfalls kein Einzelfall mehr. Manchmal entsteht der Eindruck, sie lassen sich bedienen, trollen sich durch den Tag, die vorbereitete Umgebung spricht sie nicht an, weil sie nichts mit ihr anzufangen wissen. Das ist in einem Regelschul-Setting, wo sich die Schulkinder mit Hausaufgabenhilfe der Eltern auf den nächsten Tag vorbereiten, meist kein Problem. Sie müssen das Wissen ja dann auch lediglich zum Test am nächsten Tag abrufen. An einer Schule, die auf selbsttätiges Arbeiten setzt, folgt der Lernprozess ganz anderen Logiken. Entsprechend muss diese Beobachtung uns beunruhigen, sie kann uns als Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Bedingungen für gelingende Lernprozesse an Montessorischulen dienen. Uns Pädagog:innen stellt sich rund um die gesamtgesellschaftlichen Digitalisierungsprozesse die Frage, inwiefern digitale Technik Teil der Problematik ist. Und wir fragen uns, ob unser Konzept die Fragen der Zeit beantworten kann und an welchen Punkten es Reibung geben könnte. Im Grunde sind wir in einem gemeinschaftlichen Dilemma. Da wir alle, Eltern und Pädagog:innen, für den Bereich keine Ansprechpartner:innen haben, schwanken wir zwischen Erdulden und Verbieten, für beides lassen sich hinreichende Begründungen im Internet finden. Im Grunde haben wir still vereinbart, mehr oder weniger nicht darüber zu reden. Das hier ist also der Versuch, eine ergebnisoffene Diskussion über den Umgang mit digitalen Spielen im Grundschulalter anzustoßen. Zunächst mal sei erinnert, dass wir zu jedem Lernwochenende darauf hinweisen, dass wir nicht grundsätzlich gegen digitale Technik voten, sondern schlicht und einfach für den Einsatz in bestimmten Altersphasen plädieren.
Wenn wir uns an Maria Montessori Entwicklungsstufen und den aktuellen Studien orientieren, dann kommen wir schon sehr weit. Ihre Pädagogik wurde in einem anderen Jahrhundert begründet, ist jedoch erstaunlicherweise mit dem aktuellen Forschungsstand kompatibel. Bekannt von ihr ist die Beschreibung der sensiblen Phasen. Sie sind euch als sogenannte „offene Fenster“ geläufig. Beispielhaft sei benannt, dass Kinder zwischen dreieinhalb bis vier Jahren mit ersten selbst entwickelten Schriftzeichen beginnen und von viereinhalb bis fünfeinhalb in der Frühstufe des Lesens sind. Vernachlässigen wir in diesen Phasen die vorbereitete Umgebung, hat das Folgen. Um diese soll es hier heute aber nicht gehen, sondern um die von Maria Montessori beschriebenen Entwicklungsstufen. Die erste Entwicklungsstufe, die Altersstufe zwischen 0 und 6 Jahren, bezeichnet sie als DAS Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung. Das ist der Prozess der Ichfindung und der Selbständigkeit, welche durch Selbsttätigkeit und echte Aktivitäten entsteht. In der sogenannten zweiten Entwicklungsstufe zwischen 6 und 12 Jahren ist der Aufbau der Persönlichkeit im Grunde abgeschlossen. Kompetenzen wie Emotionskontrolle, Frustrationstoleranz und Empathie sind – wenn alles gut geht- bereits vorhanden, da sie in der ersten davonfliegenden Stufe ausgebildet werden. Deswegen wird diese Zeit zwischen 6 und 12 Jahren auch als stabile Phase der Kindheit bezeichnet. Kinder sind da besonders empfänglich für die reale Lebenswelt, sollten also mit realen Materialien lernen, ihre Erkenntnisse auf die Wirklichkeit übertragen. Sie gelangen vom Konkreten zum Abstrakten, es geht um die Verfeinerung und Vertiefung des bereits Gelernten. Das Lernen in altersgemischten Gruppen steht in dieser Entwicklungsphase ebenfalls im Vordergrund und bietet die Chance neuer Sozialkontakte, weit über den besten Freund oder die beste Freundin hinaus.
In diesem Abschnitt zwischen 6 und 12 Jahren erfolgt sowohl privat als auch in der Schule irgendwann der Erstkontakt mit digitaler Technik, denn sie ist Teil unseres modernen Erfahrungsraumes. Bei der kindlichen Nutzung digitaler Technik können wir uns auf den aktuellen Forschungsstand beziehen: „Kinder, die Videospiele spielen, haben eine höhere Lebenszufriedenheit und zeigen ein sozialeres Verhalten als Nichtspieler. Allerdings tritt dieser Effekt nur bei Kindern auf, die täglich weniger als eine Stunde spielen. Spielen sie mehr (unter drei Stunden täglich), zeigen sich keine positiven Wirkungen mehr, und spielen sie sehr viel (mehr als drei Stunden täglich), überwiegen stattdessen negative Auswirkungen: sinkende Lebenszufriedenheit und ein geringeres prosoziales Verhalten als bei Nichtspielern. Ursächlich könnte sein, dass wegen der langen Videospielzeit andere bereichernde Beschäftigungen aus dem Alltag der Kinder wegfallen. Möglich ist auch, dass sich Kinder mit einer niedrigeren Lebenszufriedenheit mehr zu Videospielen hingezogen fühlen. Doch nicht nur die Dauer des Spielens ist entscheidend, sondern auch das Genre und die Art und Weise, wie das Spiel gespielt wird. Der Inhalt eines Spiels kann maßgeblich dafür sein, ob negative oder positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten zu erwarten sind.“ (https://www.quarks.de/gesellschaft/positive-und-negative-folgen-von-videospielen/)
Leider erfahren wir nichts zu den Altersgrenzen. Studien zu dieser Thematik gibt generell eher im Altersbereich ab 12 Jahren. Gehen wir aber von den Entwicklungsstufen nach Maria Montessori und den Erkenntnissen der Gehirn- und Lernforschung aus, dann können wir folgende Empfehlung wagen: Zugänge zu Computern und Handy jenseits des kurzen Mit-Schauens sollten grundsätzlich erst nach den ersten beiden Jahren Grundschulzeit ermöglicht werden. In der Altersphase des ersten und zweiten Grundschuljahres erfolgt eine komplette Neuorientierung sowohl in Hinsicht auf das Lernen als auch auf die Gewinnung und Pflege der sozialen Kontakte. Dafür braucht es ein nicht zu unterschätzendes Maß an Raum und Nach(denk)-Zeit. Ab etwa 9 Jahren kann man Kindern einen Zugang zu digitalen Angeboten ermöglichen. Wir finden es sinnvoll, wenn sie sich im geschützten Rahmen auf dieses Terrain begeben. Zunächst angeleitet, begleitet, später auch mit Freunden oder allein. Vereinbart mit ihnen klare Regeln!
Nutzen sie diese Spiele und lassen uns davon wissen, offenbart sich auch für uns eine neue Welt:
„Ich muss mich vorher entscheiden, ich kann überleben, kreativ oder Abenteuer wählen. Kreativ ist zu einfach, langweilig, da bekommt man alles geschenkt, man kann sogar fliegen. Ich habe mich für’s Überleben entschieden. Da habe ich ein paar Chancen und lebe normal. Ich habe mir keine Truhe mit Geschenken genommen, ich habe bei Null angefangen. Irgendwann habe ich zwei Mitbewohner zu mir geholt. Ich fand mein Gelände so hübsch, das sollten auch andere haben. Ich wollte sowieso nicht allein sein. Jetzt habe ich oft zwei Typen mit in meinem Haus. Sie rennen da rum, schlafen in meinem Bett, obwohl ich ihnen Häuser gebaut habe. Ich weiß auch nicht, warum. Das nervt mich ein bisschen. Wenn einer die Alpakas angreift, muss ich sie retten. Die sind mit einem Reisenden gekommen. Normalerweise gehen Reisende wieder, aber einer mag es hier irgendwie. Er ist geblieben. Deshalb habe ich jetzt die Alpakas hier auf dem Gelände. Ich habe mich entschieden, nur Gemüse zu essen. Ich weiß, mach ich sonst nicht, aber ich wollte hier keine Tiere essen. Ich fahre mit dem Boot rum und wenn ich irgendwo Pflanzen sehe, sammele ich sie ein und pflanze bei mir Samen. Ich esse alles, was ich finde. Überleben heißt mit dem klarkommen, was da ist. Meistens esse ich Kartoffeln. Ich habe auch Hühner, weil ich mit den Eiern Kuchen backen kann.“ Das war der Auszug eines Gespräches mit einem 12jährigen, der sich kürzlich Minecraft von seinem Taschengeld gekauft hat. Ein Kind, das im ländlichen Raum groß wird und im „echten Leben“ den Garten pflegt, Hühner füttert, Ställe baut und Holz hackt. Erstaunlich viele spielen Minecraft. Wenn wir unseren computerspielenden Kindern bei ihren Spielen zuschauen, erfahren wir also, wie sie Entscheidungen treffen, wie weit sie in ihrer Moralentwicklung sind. Technologischer Fortschritt ist immer schneller als wir, wir können eher nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Tauschen wir uns also offensiv aus, greifen auf aktuelle Erkenntnisse zurück und blicken auf unsere Kinder, blicken mit unseren Kindern auf die Bildschirme. Gespräche mit den Kindern über ihre Erlebnisse in der digitalen Welt, sei es Minecraft, Sims, Spiele aus dem Ninjago-Universum oder auch der Landwirtschaft-Simulator, enden häufig mit Fragen der Kinder: Findest du das gut? Was fehlt dir in meiner Welt? Was gefällt dir bei mir? Das ist sehr berührend, weil in unseren erwachsenen Köpfen diese Welt niemals so einen realen Bezug haben wird wie für Kinder. Und doch beschreiben genau diesen Fragen eine reale Tatsache, unsere Beziehung.
Digitale Technik wird uns weiter beschäftigen. Es wird immer die jüngere Generation sein, die sie besser versteht. Rasante Entwicklungen finden statt und wir sind mittendrin. Künstliche Intelligenz als eine neue Herausforderung für Schule ist nur eine davon. Wir werden uns also verhalten und aktive Entscheidungen treffen müssen, die bestenfalls einen kollektiven Lernprozess reflektieren.
Der Leitartikel ist leider sehr lang geworden. Also habe ich KI, ChatGPT- Software „gebeten“, den Elternbrief zu kürzen und witziger zu formulieren. Das ist ganz ohne mein Zutun geschehen, eine Rechenleistung von wenigen Sekunden. Und das ist dabei herausgekommen:
Liebe Eltern,
es ist Zeit, dass wir uns mit den Wahrheiten auseinandersetzen, die wir unseren Kindern nicht sagen. Kinder sind nicht immer das Zuckerpüppchen, für das wir sie halten, oder? Manchmal machen sie Dinge, die uns wirklich auf die Nerven gehen. Aber keine Sorge, das ist völlig normal. Es gehört zum Erwachsenwerden dazu.
Nun zu unserer Frage, beginnen wir damit: Warum ist ein Computer wie ein Kühlschrank? Weil man beides öffnet, um nach etwas zu suchen, was man nicht findet und trotzdem mehr Zeit darin verbringt, als man eigentlich sollte! Lasst uns den Computer beiseitelegen und stattdessen darüber diskutieren, wie wir Kinder zu wahren Wunderkindern machen können! Montessori hatte Recht: Je früher, desto besser! Denn obwohl ihre Pädagogik ein paar Jahrhunderte alt ist, kann sie immer noch mit dem aktuellen Stand der Forschung mithalten. Aber Achtung: Es geht hier nicht um’s Bildschirm-Baby, sondern darum, wie wir ihnen beibringen, selbstständig zu denken und zu lernen. Lassen wir uns von ihrer Begeisterung und Neugier anstecken! Und vor allem, lassen wir sie Spielen! Denn Spielen ist der beste Lehrer für Kinder. Also, Finger weg vom Verbot, her mit der Inspiration!“ Und noch eine Sache, die wir nicht sagen, aber dringend sagen sollten: es ist in Ordnung, wenn sie nicht wissen, was sie später einmal werden wollen. Niemand weiß es, also keine Panik. Lassen Sie sie einfach ihre Interessen und Stärken entdecken und ihnen wird schon etwas einfallen. Wie nennt man einen, der Montessori-Methoden mit digitaler Technik kombiniert? Ein Pixel-Pädagoge!
Mit freundlichen Grüßen, Ihr ChatGPT