“Fasching nervt!“, das ist ganz und gar nicht unser Motto. Bei uns heißt es „Fasching ist Kult(ur)“. Dieses Jahr möchten wir Fasching in unserem Hause unter ein besonderes Motto stellen: Kulturen der Welt. Als logische Konsequenz und Fortführung zur Evolution, zu unseren Gesprächsrunden zum Thema Mensch, Identität, Gefühlen und den Sinnen sind wir nun auch in der Auseinandersetzung mit der menschlichen Kultur und Vielfalt. Diversität im menschlichen Dasein kann man eigentlich nicht oft genug als Unterrichtsgegenstand und Erkundungsthema wählen. Sowieso ein spannendes Thema hier im Osten der Republik. Wir wollen also gemeinsam mit euren Kindern die Vielfalt und Einzigartigkeit der Kulturen auf unserem Planeten entdecken und feiern. Was gibt es Besseres als den Fasching zu nutzen? Es ist uns ein großes Anliegen, dass unsere Faschingsfeier nicht nur ein kreatives Vergnügen ist, sondern auch eine lehrreiche Erfahrung, die den Kern unserer pädagogischen Überzeugungen widerspiegelt – ganz im Sinne der Montessori-Pädagogik.
Das Erleben und Verstehen von kultureller Vielfalt ist ein zentrales Element der Montessori Pädagogik. Maria Montessori betonte immer wieder, dass Kinder durch das Erforschen anderer Kulturen lernen, die Welt mit offenen Augen zu betrachten und Respekt sowie Wertschätzung für Unterschiede zu entwickeln. Durch das Erleben von Vielfalt, sowohl im sozialen als auch im kulturellen Miteinander, bereiten wir Kinder auf eine Welt vor, in der sie (hoffentlich) als weltoffene, tolerante und verantwortungsbewusste Erwachsene agieren werden. Dass solche komplexen Themen bei Kindern unter 12 Jahren nicht rein theoretisch vermittelt werden können, sollte selbstverständlich sein – auch wenn dies üblicherweise vielleicht anders gehandhabt oder in Kindergärten gar nicht thematisiert wird. Die fehlende Auseinandersetzung mit dem Unbekannten kann ein Grund für Berührungsängste und Vorurteile sein. Angst entsteht oft dort, wo Erfahrungen oder Verständnis fehlen. Deshalb ist es uns ein Anliegen, Kindern zu zeigen, dass die Welt voller Vielfalt ist – geprägt von Sprachen, Traditionen, Werten und Bräuchen. Das Einfühlen und spielerische Erleben, etwa durch Rollenspiele, ist ein wichtiger Teil davon. Dieser Gedanke bildet den Kern unseres diesjährigen Faschingsthemas. Es geht – wie immer- nicht nur darum, sich zu verkleiden, sondern auch um die Frage, was und wer hinter diesen Verkleidungen steckt. Es geht darum, die Geschichten der Menschen kennenzulernen, die diese Kulturen prägen.
Ein Thema, das in diesem Zusammenhang aufkommen könnte, ist die Diskussion rund um die kulturelle Aneignung. Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass Elemente einer Kultur – sei es Kleidung, Schmuck oder Bräuche – von Personen verwendet werden, die nicht Teil dieser Kultur sind, und das oftmals ohne tiefere Kenntnis oder Respekt für deren Bedeutung. Diese Diskussion ist besonders dann zu führen, wenn es um Kulturen geht, die von Kolonialisierung oder Diskriminierung betroffen waren.Wer also “woke” ist, hat auf jeden Fall schon mal darüber nachgedacht. Vielleicht auch nur zur Selbstvergewisserung innerhalb einer Gruppendiskussion.Der Gegenentwurf dazu wäre: „Heutzutage darf man ja gar nichts mehr“ und dann einfach gedankenlos zu feiern. Wir wissen doch aber, warum wir heute mehr Rücksicht nehmen wollen auf unterschiedliche kulturelle Interpretationen oder Erfahrungen.
Kinderfasching in unserem Haus ist, das sollte klar sein, fernab einer kulturellen Aneignung. „Cultural appropriation“, das ist ein Prozess, bei dem Menschen Elemente einer fremden Kultur übernehmen ohne deren tiefere Bedeutung oder die historischen und sozialen Hintergründe zu verstehen oder zu respektieren, häufig begleitet von bestimmten Machtstrukturen oder Kommerzialisierung. Es ist selbstverständlich, dass wir respektvoll mit der kulturellen Vielfalt umgehen, ohne dabei Klischees oder negative Stereotype zu verstärken. Aber eines sei klargestellt, der Spaß am Verkleiden bleibt! Ganz im Gegenteil – wir möchten die Gelegenheit nutzen, den Kindern zu zeigen, dass hinter jeder Kultur eine Geschichte steht, die es wert ist, verstanden und gefeiert zu werden.Dabei geben wir den Kindern Freiräume, ihre Kreativität auszuleben und unterstützen sie gleichzeitig dabei, diese Freiheit bewusst und respektvoll zu gestalten. Im Rahmen unserer Welterkundung werden wir in den kommenden Wochen verschiedene Kulturen und deren Bräuche auf eine tiefere Weise kennenlernen. Wir lesen Geschichten, sprechen über kulturelle Besonderheiten, entdecken Essen, Musik Tänze aus aller Welt. Vielleicht inspiriert das eure Kinder dazu, Kostüme zu wählen, die mehr als nur äußere Merkmale darstellen.Die Auseinandersetzung mit einer Kultur bietet die Chance, Figuren oder Symbole mit einer echten Geschichte zu verbinden, sei es eine historische Persönlichkeit, eine kulturelle Symbolik oder eine faszinierende Erzählung. Letztlich geht es nicht nur um das Äußere eines Kostüms, sondern um das Verständnis und die Wertschätzung dahinter.
So war es ja auch bei den anderen Faschingsthemen. Es war ebenso spannend, sich als Huhn zu verkleiden, ohne ein Ei zu legen, ein Harry Potter zu sein, der nicht zaubern kann, als französischen Naturwissenschaftler zu experimentieren, selbst wenn man noch nie in Frankreich war oder ohne musikalisches Talent eine berühmte Sängerin zu sein. Verkleiden bedeutet, in andere Welten einzutauchen und genau das wollen wir gemeinsam mit den Kindern feiern.
Euch als Eltern kommt in diesem Prozess eine wichtige Rolle zu. Wir wollen euch ermutigen, mit euren Kindern über das Thema kulturelle Vielfalt und den respektvollen Umgang damit zu sprechen. Fragt eure Kinder, warum sie sich für eine bestimmte Kultur oder ein bestimmtes Kostüm entscheiden. Helft ihnen, ihre Neugierde und Kreativität zu nutzen, um ein Kostüm zu entwickeln. Sie können Symbole oder Charaktere aus einer Kultur wählen, die ihnen besonders am Herzen liegen und sie können dafür schwarze Locken tragen, Brillen, Gebisse und dunkle Haut. Eben das, was zu ihrer Story passt. So könnte ein Kind, das sich für Indien interessiert, statt eines stereotypen Kostüms die Figur eines indischen Prinzen darstellen, den es bei seinen Erkundungen kennengelernt hat. Vermutlich trägt der Prinz dann Schmuck. Muss er aber nicht. Wir gehen davon aus, dass eure Kinder sich in dem Kulturkreis, den sie darstellen, auch auskennen. Wir nehmen also an, dass sie sich die Klischees der Erwachsenenwelt gar nicht zu eigen machen.
Unser Ziel ist es, dass der Fasching nicht nur ein freudiges und buntes Fest wird, sondern auch eine Gelegenheit für tiefere Einsichten und Lernerfahrungen. Die Kinder sollen verstehen, dass Kulturen mehr sind als nur Kleidung oder Essen. Sie sind lebendige Geschichten, die durch Traditionen, Sprache, Kunst und Religion geprägt sind. Und wie schön, dass wir zu diesem Fest das alles verbinden können. Was aus unserer Perspektive nicht entstehen darf ist, dass wir aufgrund von Ängsten oder aktuellen Diskussionen Erfahrungsräume schließen. Das gilt ja eigentlich immer und ist auch der Grund, warum wir ein Kokel-Tablett oder Kletterbäume haben Tatsächlich gibt es statistisch nachweisbar heutzutage in Deutschland weniger (Hochenergie -)Knochenbrüche, weil Kinder weniger im Freien spielen. Wir finden, das ist ein Abwägungsrisiko, dass man zugunsten des Spiels im Freien eingehen muss. Lasst uns gemeinsam erproben, wie wir das Leben in aller Vielfalt gestalten können und unbedingt Räume offenhalten, natürlich auch Diskussionsräume, selbst wenn wir uns Schrammen holen. Lasst uns einfach über Überschriften hinaus mit dem Ziel einer echten Meinungsbildung diskutieren. Wir freuen uns auf ein Fest voller Freude und Überraschungen. Viva o Carnaval! Laissez les bons temps rouler! Helau!